Elfenbein, geschnitzt, silbervergoldete Montierung

Nürnberg 1685/86-88

Hans Nicolaus Müllner (Meister 1644-1688)

Höhe: 23 cm

Detailbeschreibung

Das Figurenrelief des Humpens zeigt nicht nur Szenen der Lebensalter, sondern auch die Fülle der Natur in Sommer, Herbst und Winter. Es ist die Verbindung, eher die Gleichsetzung des Verlaufs der Jahreszeiten mit dem Ablauf des Menschenlebens.

Originell ist der Einfall, das Bildprogramm mit der Deckelbekrönung zu beginnen: Dort sitzt ein Kind mit einem von Früchten überquellenden Füllhorn. Am Elfenbeinmantel wird der Zyklus mit einem jungen Paar fortgesetzt; der Jüngling ist bei seinem Heiratsantrag zu sehen. Es folgt die Blütezeit des Sommers, wo das Paar mit Blumen und Früchten in einem Korb und in einem Füllhorn dargestellt ist. Danach erscheint zur Überraschung des Betrachters der Weingott Bacchus auf seinem Fass, den Saft der Trauben in eine Flasche auffangend, während ein knieender Putto ihm weitere Trauben reicht. Das abschließende Bild des Winters zeigt einen als schönen Greis dargestellten sitzenden Mann und das nun gealterte Paar um ein auflodernd wärmendes Feuer gruppiert.
Der teils in flachem Relief und andererseits in großen Partien fast vollplastisch geschnitzte Fries ist hochbarock empfunden, zitiert aber in den Schwüngen und Draperien der Gewänder Motive der klassischen Antike.


Das Rätsel der Einbeziehung des Bacchus in die Szenenfolge ist leicht zu lösen: Wahrscheinlich geht dies auf den Wunsch des Auftraggebers zurück, der seine Gäste mit dieser Spielerei zu überraschen wünschte. Das Leben wird nämlich nur von seinen guten Seiten gezeigt, selbst der Winter ist durch das kräftig brennende Feuer ohne seine Schrecken und seine Not wiedergegeben. Die Fülle der Natur beschenkt die Menschen hier mit Lebenslust und Daeinsfreude und deren Repräsentant und Symbolfigur ist nun einmal Bacchus.


Die meisterhafte Fassung aus vergoldetem Silber wird der Qualität der virtuosen Schnitzerei gerecht: Der geschmeidig verlaufende Akanthusfries auf der Wölbung des Fußringes und der auskragend getriebene Deckel mit dem opulent geschmückten Blätter- und Blütendekor sind nicht dienend untergeordnet, sondern binden in ihrer ruhevollen Solidität und – man kann fast sagen – mit ihrem Platzanspruch einen reizvoll kraftvollen Kontrast zur Bewegungsfülle der Figuren des Elfenbeinmantels. Das zeigt sich besonders an der ungewohnt üppig gestalteten Daumenrast über dem elegant ausschwingenden Henkel.

Aus dem Werk des Goldschmiedes Müllner sind unter anderem ein prächtiger Tafelaufsatz in Gestalt eines steigenden Pferdes mit Amor bekannt, heute in der Rüstkammer des Moskauer Kreml, sowie der 1681 entstandene Pokal der Zeugmeister in der Sammlung des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg. Darüber hinaus ist der mit 30 cm Höhe fast monumentale Humpen im Metropolitan Museum New York zu nennen, der als Bildprogramm die vier Erdteile zeigt und einen dem hier vorgestellten Humpen ähnlich kräftigen, glatten Henkel mit auslaufender Wappenkartusche besitzt. 

Literatur: 

K. Tebbe / R. Schürer, Nürnberger Goldschmiedekunst 1541-1868, Bd. 1, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg 2007, Nr. 599 und Nr. 27